Poetik der Komplizenschaft: Zum kommunikativen Potenzial von Exilautobiographien der NS-zeit - PhDData

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Poetik der Komplizenschaft: Zum kommunikativen Potenzial von Exilautobiographien der NS-zeit

The thesis was published by Meissner, J.M., in January 2023, University of Amsterdam.

Abstract:

Zwischen 1933 und 1945 ergriffen zahlreiche Geflüchtete gegen das NS-Regime das Wort und versuchten anhand ihrer persönlichen Erfahrungen mit dem Dritten Reich eine Weltöffentlichkeit über dessen Verbrechen aufzuklären. Autobiographisches Schreiben wurde als Medium dazu genutzt, der totalitären Vereinnahmung von Identität(en) ein Gegennarrativ entgegenzustellen und Deutungsmacht zu beanspruchen, das durch Zensur und Repression auferlegte Schweigen zu durchbrechen, aber auch direkten Einfluss auf die alliierten Mächte auszuüben. Solche im Modus des Testimonialen operierende Autobiographien zeichnen sich durch eine starke Appellstruktur aus: sie versuchen ihr Publikum von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen und zu mobilisieren, fordern Anerkennung, Empathie, Vertrauen und Parteinahme ein und positionieren ihre Leser:innen auf diese Weise performativ als Kompliz:innen. In der Forschung wurden testimoniale Exilautobiographien zwischen 1933 und 1945 vor allem als zeithistorische und soziokulturelle Quellen behandelt, wobei ihre ästhetischen Qualitäten entweder ausgeblendet oder diese als formkonservativ und anspruchslos etikettiert wurden. Dabei wird das Genre einem an fiktionaler Literatur orientierten Werteraster unterworfen, welches seine sozialkommunikative Funktion und gattungsspezifische Eigenlogik unberücksichtigt lassen. Genau hier setzt der in dieser Arbeit entwickelte Analysebegriff der ‚Komplizenschaft‘ an, indem er das ästhetische Potenzial der testimonialen NS-Exilautobiographik in ihrer intersubjektiv-kommunikativen Dimension verortet. Die These ist, dass die prekären Produktions- und Rezeptionsbedingungen des Exils, die Positionierung der eigenen Lebensgeschichte als Gegendiskurs und spezifische rhetorische und narrative Techniken eine komplizitäre Lektürehaltung generieren, die konstitutiv für die Poetik dieser Texte ist. Zentral stehen drei Fallstudien: Catherine Kleins Escape from Berlin (1944), Sebastian Haffners Geschichte eines Deutschen (1939/2000) und Stefan Zweigs Die Welt von Gestern (1942).



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